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Gärten in Wismar

26.11.2021 –

Eberhardt Blei und Andrea Gaube

Gartengeschichte

Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekamen in mehreren Städten Arme kleine Parzellen zugesprochen, um gegen die Hungersnot durch Eigenversorgung anzukämpfen.

Als der Schrebergarten seinen Namen erhielt, da lebte der Namensgeber Daniel Gottlob Moritz Schreber, Orthopäde und Hochschullehrer in Leipzig schon nicht mehr. Der nach ihm wenige Jahre nach seinem Tod 1861 benannte Schreberplatz in Leipzig war noch kein Garten, sondern eine Wiese zum Spielen und Turnen für Kinder, die sich im beginnenden Zeitalter von Industrialisierung und Urbanisierung zur Gesundheitsvorsorge in Licht, Luft und Sonne bewegen sollten. Die ersten Beete und Gärten wurden als Beschäftigungsmöglichkeit für Kinder angelegt. Aus den Beeten für Kinder wurden Beete für Familien. Damit war die Gartenparzelle „geboren“.1

Mit dem Gesetz über die „Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung“ der Weimarer Republik wurde dann eine erste einheitliche gesetzliche Grundlage geschaffen.2 In dieser Zeit wurden viele neue Gärten angelegt.

Nach dem II. Weltkriegen kamen weitere Gartenanlagen und Gartenvereine hinzu. Die Kleingärten wurden in der Zeit Nahrungsmittelknappheit für die Selbstversorgung genutzt. Selbst das Wohnen wurde nach dem Krieg wegen der schlechten Wohnraumversorgung in einer Vielzahl von Gartenanlagen geduldet. Es gab sogar Dauerwohnrechte.

In Deutschland gibt es heute etwa 900.000 Gartenfreundinnen und Gartenfreunde, die eine Parzelle gepachtet haben. Der Bundesverband geht von ca. 5 Millionen Menschen aus, die die Kleingärten nutzen. Nutzer sind neben den Pächtern Familien und Freunde. Die durchschnittliche Größe eines Kleingartens beträgt in Deutschland 370 m2, rechnet man das öffentliche Grün und die öffentlichen Wege, Spielplätze und aufgelassene Gärten, Schul- und Lehrgärten und mancherorts auch ein Vereinsheim mit Freibereich dazu, dann beträgt der Durchschnitt pro Parzelle 438 m2. In Deutschland sind das in Summe 44.000 ha an Stadtgrün und Stadtnatur.3

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es über 900 selbständige Gartenvereine mit etwa 66.000 bewirtschafteten Parzellen.4

Nach dem zweiten Weltkrieg stand die Versorgung mit Obst und Gemüse im Interesse der Gartenfreunde. In dieser Zeit wurden zahlreiche Gartenanlagen neu geschaffen. Später waren die Gärten für Pächter, deren Familien und Freunde auch ein wichtiger Ort der Erholung an der frischen Luft.

Gartenvereine in Wismar

Wismar hat heute 33 rechtlich selbständige Gartenvereine mit insgesamt über 5.000 Parzellen. Die größten Gartenvereine sind Mecklenburger Hufe und Dorstein. Die Gärten gehören zur „grünen Lunge“ und zum Grünverbund der Hansestadt. Sie sind über das gesamte Gemeindegebiet verteilt.

Die rechtlich selbständigen gemeinnützigen Vereine sind für alle Belange zuständig: Pachtverträge, Bewerbung der Gärten, technische Infrastruktur des Gartenvereins, Pflege der öffentlichen Wege der Gartenanlage und wirtschaftliche Rechnungsführung.

Die Biologie des Gartens

Damit Obst, Gemüse und Kräuter gedeihen und die Pächter eine gute Ernte einfahren können, sind Insekten sehr wichtig. Vor allem Bienen und Hummeln leisten zu einem guten Ertrag einen wichtigen Beitrag. Durch das Bienensterben vergangener Jahre, das auch dem Einsatz von Glyphosat zugeschrieben wird, haben wir es mit einer schwierigen Situation zu tun. Seit einigen Jahren werden Wildbienen gezüchtet, die die Situation verbessern sollen. Diese können auch gekauft und im Frühjahr ausgesetzt werden. Da macht es sich auch gut, wenn die Bienen ihr Zuhause in einem „Bienenhotel“ schnell finden.

Durch den Einsatz von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln wurde das Gleichgewicht des Bodens nicht nur in der Landwirtschaft beeinflusst, sondern auch in unseren Gärten. Die Wismarer Gärten können einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten, indem

  • fruchtbare Böden erhalten und weiterentwickelt werden
  • der Kompost aus dem eigenen Garten wieder aufgetragen und so die Humusschicht verbessert wird

Humusaufbau dient nicht nur der Bodenfruchtbarkeit, sondern auch dem Klima. Humus bindet nämlich CO2 und kühlt.5 Ein gesunder Boden ist Grundlage für gesunde Lebensmittel. Darüber hinaus dient er vielen Lebewesen, von Mikroorganismen bis zu Gartenvögeln als Lebensgrundlage.

Warum einen Garten pachten?

Nach den Erfahrungen, die wir in Gesprächen mit Gartenpächtern gemacht haben, gibt es meist nicht nur einen Grund, einen Garten zu pachten. Unsere Eltern haben sich seinerzeit einen Garten zugelegt als ein Elternteil gesundheitliche Probleme hatte. Für sie war es ein Raum fürs aktive Weiterleben.
Meist ist es nicht nur ein Grund, weshalb ein Garten gepachtet wird, sondern es gibt viele Gründe:

  • Selbstversorgung mit Lebensmitteln, von denen man weiß, wie sie angebaut werden
  • das naturnahe Aufwachsen der Kinder
  • Selbstverwirklichung in der Gartengestaltung und beim Basteln und Bauen
  • Arbeiten im Rentenalter, weshalb so manche Rentnerin und so mancher Rentner in der Woche, aber keinesfalls am Sonntag im Garten zu sehen sind, denn da haben sie frei
  • die Suche nach sozialer Gemeinschaft oder auch nach Abgeschiedenheit und Ruhe

Zudem scheinen die Funktionen von Kleingärten außerordentlich vielfältig zu sein und gesellschaftliches Integrationspotenzial zu besitzen.6

Gartenarbeit

Viele Pächter warten jährlich sehnsüchtig auf das Frühjahr. Und wenn Winterlinge, Schneeglöckchen und Krokusse sich als Vorboten der Gartensaison zeigen, dann sind die Gartenpächterinnen und Gartenpächter auch wieder da. Überall wuselt es: alles kontrollieren, die Gartenhütte saubermachen, Frühbeet bestellen, Bäume schneiden, Beete vorbereiten, dicke Bohnen legen, erster Rasenschnitt, vermoosten Rasen vertikutieren… Später dann die Frühjahrsbestellung.

Vereinsarbeit

Die 33 Wismarer Gartenvereine werden ehrenamtliche geleitet. In jedem Gartenverein gibt es einen Vorstand, der für die Geschicke des Vereins Verantwortung trägt,

  • Pachtverträge schließt und beendet
  • die Jahresabrechnungen für alle Pächter und den Verein erstellt
  • die Wasser- und Stromversorgung sichert
  • die gemeinnützigen Arbeitseinsätze organisiert
  • die Einhaltung des Kleingartengesetzes prüft

Jeder Verein ist ein kleines Unternehmen und der Vorstand dessen Geschäftsleitung. Für diese ehrenamtliche Arbeit müssen wir allen herzlich danken!
Der Vorstand wird durch eingesetzte Obleute unterstützt, die für jeweils einige Gartenparzellen zuständig sind. Sie sind das Bindeglied zwischen Pächtern und Vorstand, führen das Gespräch mit den Pächtern und lesen am Saisonende die Verbräuche in jedem Garten ab.

Leerstand und erhöhte Nachfrage nach Pachtgärten in Corona-Zeiten – wie weiter?

In den Wismarer Gartenvereinen gibt es derzeit viele nicht genutzte und verwilderte Gärten (Leerstand). Dieser Leerstand ist ungleich verteilt, bereitet den Vereinen aber auch große Probleme. Wer möchte schon neben einem verwilderten Garten seinen Garten haben? Vandalismus und Wildtiere kommen hier häufiger vor.

In der Corona-Zeit wurden Gärten verstärkt durch jüngere Menschen und junge Familien nachgefragt. Das wird nicht für alle Gartenvereine gleichermaßen zutreffen, aber eine Tendenz scheint es offensichtlich zu geben, die bei der Erarbeitung des Kleingartenentwicklungskonzeptes der Hansestadt berücksichtigt werden sollte.

So mancher Garten konnte trotz dieser neuen Nachfrage nicht vergeben werden, weil einerseits die Infrastruktur es nicht hergibt, das Elektronetz alt und ausgelastet ist, und andererseits einem neuen Pächter nicht zuzumuten ist, einen total verwilderten Garten zu übernehmen. Hier sollte über kommunale Unterstützung nachgedacht werden.

Sicherlich werden in nächster Zeit Gartenvereine, die rechtlich das Sagen haben, mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitkern und Bodenbesitzern ins Gespräch kommen, um zu besprechen, wie es weitergehen kann.

Hierzu einige Überlegungen:

  1. Gartenvereine sind gewachsene demokratische Strukturen, die einen wichtigen Beitrag für das Soziale in der Gesellschaft, für eine gesunde Lebensmittelversorgung sowie für den Naturhaushalt und den Klimaschutz leisten. Es sollte in den Gesprächen auch die Frage aufgeworfen werden, wie die Vereine bei ihrem wichtigen Beitrag für die Stadtgesellschaft unterstützt werden können.
  2. In Schwerin und Gadebusch werden Kleingärten für die Tafeln genutzt. Für Wismar könnte geprüft werden, ob es ein solches Interesse gibt und ob hierfür die rechtlichen Voraussetzungen bestehen oder geschaffen werden können. Auch interkulturelle und Migrationsgärten sind eine Möglichkeit. Bei den Hochschulprojekten „Studentengarten“ hat diese schon einmal in der Gartenanlage „Hinter dem Mühlenteich“ sehr gut funktioniert.
  3. Die Gartenvereine sollten in ihren Gesprächen mit der Stadt die Aufmerksamkeit auch darauf lenken, wie den Gartenanlagen mit ihren öffentlichen Wegen und Anlagen (Spielplätze, Gartenkneipen) mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Licht, Luft und Sonne können nicht nur in Corona-Zeiten zur einer gesunden und ausgeglichenen Lebensweise beitragen.
  4. Gärten und Gartenvereine sollen nicht leichtfertig aufgegeben werden. Wenn aber dauerhaft Gartenparzellen nicht vergeben werden können und nicht bewirtschaftet werden, dann sollten auch die Gartenvereine mit der Stadt nach Nutzungen suchen, die die Ziele der Stadt zum Klima-, Natur- und Umweltschutz und zur Nutzung erneuerbarer Energien unterstützen. Der Beitrag der Gartenvereine für die Stadt sollte den Vereinen durch die Stadt jährlich vergütet werden. So kann die Investitionskraft der Vereine gestärkt werden. Diese Mittel können für die Verbesserung der Infrastruktur des Gartenvereins eingesetzt werden und die Attraktivität der Gartenanlage erhöhen.
  5. Da die meisten Gartenanlagen in Wasserschutzzonen liegen bzw. an solche angrenzen, sollten Teile von Gartenanlagen nur ausnahmsweise fürs Bauen freigegeben werden, jedoch mit bauplanungsrechtlich gesicherten hohen Umwelt- und Klimaschutzauflagen. Die Verfasser können sich diesbezüglich flächensparendes Bauen (kleine Grundstücksfläche und kleine Wohnfläche) etwa mit Kleinsthäusern (Tiny-Houses) vorstellen.

Übrigens: Die Wege von Kleingartenanlagen und die Spielplätze sind öffentlich zugänglich. Ein Besuch lohnt sich. Und vielleicht haben Sie ja auch Interesse einen Garten zu pachten und freuen sich an dem jedes Mal im Garten Erreichten.


Fußnoten
1 Vergleiche https://de.wikipedia.org/wiki/Kleingarten#Schreberg%C3%A4rten
2 Vergleiche https://www.mdr.de/mdr-garten/geschichte-kleingarten-100.html
3 Vergleiche https://www.kleingarten-bund.de/de/bundesverband/zahlen-und-fakten/
4 Vergleiche https://www.gartenfreunde-mv.de/
5 Vergleiche https://www.thuenen.de/de/thema/boden/humus-fuer-bodenfruchtbarkeit-und-klimaschutz/
6 https://de.wikipedia.org/wiki/Kleingarten, aufgerufen am 15.05.2021, 20:25 Uhr
Literaturhinweise
https://www.gartenfreunde-mv.de/https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/grundlagen/klimagarten/26024.htmlhttps://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/grundlagen/klimagarten/13349.htmlhttps://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/grundlagen/elemente/26033.htmlhttps://www.gartenfreunde.de/gartenpraxis/kleingartenwesen/kleingartenwesen-warum-kleingaerten-das-stadtklima-verbessern/https://www.lbv.de/ratgeber/lebensraum-garten/der-garten-im-klimawandel/https://www.derkleinegarten.de/nutzgarten-kleingarten/gemuesegarten-anlegen/anbauplan-permakultur.htmlhttps://permakultur.de/was-ist-permakultur/https://www.gartenhaus-gmbh.de/magazin/schrebergarten-die-10-wichtigsten-zahlen-und-fakten/http://www.gartenfreunde-wismar.de/

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